von Christina Titz
„Der Helga Cup ist die größte reine Frauenregatta und trotzdem oder gerade deswegen eine Segelveranstaltung für “jederfrau”. Ob jung, ob alt, ob Fahrten-, Freizeit- oder Regattaseglerin, ob mit Offshore- oder Inshoreerfahrung – wir freuen uns auf alle Seglerinnen aus ganz Europa! Beim “Helga Cup” geht es nicht nur um das reine Regattasegeln und nicht nur um das eine Event.“ (www.helgacup.de)
Das klang für uns zunächst erstmal sehr vielversprechend und spannend – jedoch zugleich auch aussichtlos, denn einen der begehrten Startplätz zu ergattern schien fast unmöglich. Dennoch beschlossen Melissa, Patty, Yvonne und ich – Christina – beim RKCW-Saisonabschlussfest 2019 als Team „Südwest4“ (sprich: Südwest hoch vier) am Helga Cup teilzunehmen. Wenige Tage vor Weihnachten erhielten wir die Nachricht, dass wir von der Warteliste tatsächlich aufgerückt seien und (verbindlich) melden können. Gesagt, getan. Als Ersatz für Yvonne, die mit Dirk zum Zeitpunkt des Helga Cups bereits mit der Erna unterwegs sein sollte, konnten wir Lea gewinnen. Und bereits Mitte Januar begannen wir zu trainieren, denn Gennaker-Erfahrung hatte von uns vieren bisher nur Lea. Auf einer J/70 war bisher keine von uns gesegelt.
Die Rollenverteilung war schnell geklärt: da Melissa Erfahrung für die bevorstehende Yngling-WM in Berlin sammeln wollte, wurde sie unsere Steuerfrau. Patty sollte die Fock bedienen und gemeinsam mit Lea den Gennaker setzen und bergen, ich übernahm Großsegel, Traveller, Trim und den Gennaker. Bei besten Bedingungen übten wir beim SCLU auf dem Otterstädter Altrhein. Gemeinsam mit Christoph (Weidemann) trainierten fortan regelmäßig mit deren J/80. Gennaker setzen, segeln und halsen unter Gennaker, bergen, allgemeine Manöver etc. –wir konnten fünf Sonntage sehr intensiv nutzen. An dieser Stelle bedanken wir uns bei Christoph für das Training und bei Ronny für die tollen Bilder! Und da der Helga Cup sehr viel Wert auf Medienpräsenz legt, pflegten Lea und Melissa fleißig unseren Instagram-Account (@Suedwesthoch4_crew) und unsere Facebook-Seite. Im Februar buchten wir voller Euphorie und Enthusiasmus ein J/70- Trainingswochenende bei der HNV-Academy(Heinrich Nixdorf Verein zur Förderung des Segelsports) am Möhnesee, um uns optimal auf den Cup vorbereiten zu können.
Und dann kam Corona… es hieß nun erstmal: kein weiteres Training, da Kontaktverbot. Kein Trainingswochenende am Möhnesee. Kein Helga Cup 2020…?!
Der Helga Cup wurde im April abgesagt, jedoch mit Aussicht auf einen Ersatztermin im Oktober. Uns blieb nichts anderes übrig, als unser Vorhaben auf Eis zu legen und abzuwarten. Im Juli stellte sich heraus, dass Melissa im Oktober nicht dabei sein könne. Also brauchten wir eine neue Steuerfrau. Es war aussichtlos Ersatz zu finden. Auch die Motivation und Euphorie konnten wir leider längst nicht mehr in dem Maße aufbringen, wie es noch zu Jahresbeginn gewesen war. Denn seit März waren wir nicht mehr gemeinsam segeln und dazu nach wie vor nicht auf einer J/70. Zudem reizte uns die Teilnahme an einer „abgespeckten Version“ des Helga Cups nicht allzu sehr. Letztendlich entschlossen wir uns die Meldung zurückzuziehen. Dies war zu dem Zeitpunkt aus Sicht der Veranstalter bereits jedoch ausgeschlossen.
Dann hat uns Christoph Petra vorgestellt, eine Laser-Radial-Seglerin, die durch ihre erste Laser-Regatta-Teilnahme auf unserem Revier emotional mit dem RKC verbunden war. Erneut – gesagt, getan. Anfang September segelten wir das erste Mal gemeinsam mit Petra auf Julians J/22 – die Harmonie stimmte. Gemeinsam mit Petra fuhren wir dann am 01. Oktober nach Hamburg. Noch auf der Fahrt organisierten wir uns eine J/70 für den Donnerstag, um einen Tag vor Regattabeginn überhaupt noch einige wenige erste Schläge auf einer J/70 machen zu können. Bei guten 3 Windstärken waren wir die ersten 45 Minuten ziemlich überfordert. Während das Setzen und Segeln unter Gennaker soweit okay waren, stellte sich das Bergen bereits bei „nur“ 3 Windstärken als wahre Herausforderung dar. Ganz im Gegenteil zur J/80 bietet die J/70 kaum ein Kielgewicht. Bei zu viel Krängung verliert das Ruderblatt den zum Steuern erforderlichen Druck und wir waren nicht nur ein Mal mit einer nahezu vollkommenen Manövrierunfähigkeit konfrontiert. Nach und nach kamen wir jedoch immer besser mit dem Boot und dessen Eigenschaften zurecht und es begann Spaß zu machen und wir freuten uns auf die bevorstehenden Wettfahrten.
Am Freitag ging es dann los und jede von uns war durch und durch aufgeregt. Man muss wissen, auf dem Wasser sind 9-10 Boote gleichzeitig, welche in kurzen Rennen von etwa 12 Minuten gegeneinander segeln (Up an Down). Jedes der 42 Teams (sonst sind es knapp 80) hat insgesamt 10 Wettfahrten und dabei immer 2 hintereinander. Nach den bestrittenen Wettfahrten werden die Boote getauscht. Das Prinzip ist wie in der Segel-Bundesliga.
Schnell mussten wir feststellen, dass das Motto „segeln für jederfrau“ zwar stimmte, das Niveau jedoch überaus professionell war. Immerhin segelten wir nicht komplett hinterher – in den ersten beiden Läufen erreichten wir den jeweils vorletzten Platz. Und das obwohl wir im ersten Lauf 2x und im zweiten Lauf 1x kringeln mussten. Unterwegs zum Start unseres dritten Laufes am Freitagnachmittag wurde unser Ehrgeiz, diesen Lauf nun besser zu bestreiten, gebremst, da der Fockfurler defekt war und nicht getauscht werden konnte. Wir konnten nicht starten und erhielten für diese Wettfahrt Wiedergutmachung – das war jedoch weder in unserem Sinne, noch zu unserer Zufriedenheit.
Am Samstagmorgen hatten wir dann unseren vierten Lauf. Bei stärkerem Wind im Vergleich zum Vortrag entschieden wir uns den Gennaker zunächst nicht zu ziehen, denn wir sahen, dass andere Teams mit weitaus mehr Erfahrung Probleme beim Setzen und Bergen des Gennakers zeigten. Der Wind wurde gegen Mittag etwas stabiler und war weniger böig, weshalb wir in unserem fünften Lauf zwar in der ersten Runde auf den Gennaker verzichteten, ihn aber auf der Zielgerade zogen. Und hierdurch konnten wir auch mit etwas Glück tatsächlich noch drei Boote holen. Kurz nach der Zieldurchfahrt wurde uns unsere Euphorie jedoch direkt wieder genommen. Durch plötzlich auftretende Böen hatten wir unerwartete Probleme den Gennaker zu bergen. Der Manövrierunfähigkeit ausgeliefert kam das Land leider immer näher. Kurz darauf sind wir auf Grund gelaufen. Zum Glück war der Gennaker mit Hilfe der Besatzung des heran eilenden Begleitbootes schnell geborgen und auch unser Boot wieder freigefahren. Allerdings verpassten wir den nächsten Start knapp… und entschieden uns, den sechsten Lauf ohne Gennaker zu fahren, um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden. Gegen Abend flaute der Wind deutlich ab und in unseren Läufen 7 und 8 konnten wir endlich ohne Probleme tolle Gennakermanöver fahren. Doch dazu musste uns vor der 7. Wettfahrt zunächst ein neuer Gennaker gebracht werden, da uns das Team, das uns das Boot übergeben hatte mitteilte, dass der Gennaker am Unterliek eingerissen war. Der Austausch funktionierte reibungslos und wir hatten sogar noch Zeit den Gennaker vor dem Start zu setzen, um zu überprüfen, ob er richtig angeschlagen war. In unserem 8. Rennen holten wir dann einen guten 6. Platz und waren damit sehr zufrieden.
Am Sonntag wehte uns ein kräftiger Wind mit guten 4 Windstärken – in Böen nochmal ein bisschen mehr – entgegen. Schon vor unserem 9. Rennen entschieden wir, angesichts der Probleme anderer Teams mit dem Gennaker, zunächst ohne zu fahren. Während wir uns auf den Weg zum Start machten, setzte die Rennleitung die W-Flagge. Dies bedeutete, dass der Gennaker nicht verwendet werden darf. Also bestritten wir unsere 9. und 10. Wettfahrt ohne Gennaker und setzten auf dem Down-Wind-Kurs teils auf Schmetterling, teils auf Raumschotkurs mit Halsen – letztendlich machte dies aber keinen Unterschied. Die Wiedergutmachung aus unserem verpassten 3. Lauf änderte nichts an unserer Platzierung und wir erreichten in der Gesamtwertung den 35. Platz von 42. Booten.
Nun bleibt uns zu sagen, dass, obwohl uns die Motivation im Sommer zunächst verlassen hatte, wir trotzdem voll und ganz dabei waren. Und zwar spätestens definitiv ab dem Zeitpunkt, als wir mit einer J/70 auf der Außenalster einen Tag vor dem Helga Cup unsere ersten Schläge machten. Der nächste Helga Cup wird im Juni 2021 stattfinden und der Termin steht im Kalender. Ob wir wieder teilnehmen werden, ist noch offen. Jedenfalls war es ein Super-Event und wir sind sehr froh, dabei sein gewesen zu dürfen. Auch unter Corona-Bedinungen, was bei der Umsetzung für den NRV sicherlich eine Herausforderung war aber bestens umgesetzt wurde, war es ein tolles Segel-Wochenende! Unser Dank geht deshalb an dieser Stelle auch unbedingt nochmal nach Hamburg und an Sven Jürgensen für die tolle und reibungslose Organisation, an Julian und Christoph für die Unterstützung vor Ort und die tollen Fotos und an alle anderen, die uns unterstützt haben!